Der diesjährige M100 Media Award wird an den türkischen Tänzer und Choreographen Erdem Gündüz verliehen. Der undotierte Preis wird zum Abschluss der internationalen Medienkonferenz M100 Sanssouci Colloquium am Abend des 5. September im Raffaelsaal in Potsdam-Sanssouci verliehen. Die Hauptrede hält der österreichische Romancier und Essayist Robert Menasse, die Laudatio die Intendantin des Maxim Gorki Theaters in Berlin, Shermin Langhoff.
Der 34-Jährige Gündüz wurde durch seine Aktion „stehender Mann” (türk. Duran Adam) weltweit bekannt, als er im Juni stundenlang auf dem Taksim Platz stand und das Porträt von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk anblickte. Mit seinem stillen Protest wurde er zur Ikone des friedlichen Widerstandes und fand weltweit Nachahmer. Gündüz wird vom M100-Beirat für sein mutiges Engagement für freie Meinungsäußerung und Menschenrechte ausgezeichnet.
Gündüz begann seinen Protest am 17. Juni, nachdem die Polizei zwei Tage zuvor den Gezi-Park in Istanbul zum zweiten Mal gewaltsam von Demonstranten geräumt hatte. „Einige Leute starben während der Kundgebungen“, sagt er. „Was im Gezi-Park geschah war für mich der Wendepunkt und ich wusste, dass ich da mitmachen muss.“ Sein erster stiller Protest dauerte acht Stunden; nach fünf Stunden wurde seine Performance von einer großen Anzahl von Menschen bemerkt. Zuerst versuchten Polizisten in Zivil, ihn zu überzeugen, seine Performance zu beenden, dann folgten Demonstranten und Aktivisten seinem Beispiel und schlossen sich ihm spontan an. Sie agierten völlig autonom. In den folgenden Tagen standen viele Menschen in anderen türkischen Städten und in anderen Ländern still, um ihre Enttäuschung und Solidarität auszudrücken.
„Durch die Auszeichnung von Erdem Gündüz mit dem M100 Media Award wird auch in diesem Jahr wieder ein klares Zeichen gesetzt, dass gewaltfreier friedlicher Widerstand funktioniert. Seine Waffe heißt Kreativität. Seine Markenzeichen sind Mut und Ausdauer. Und all das braucht man auch, wenn man für freie Meinungsäußerung und die Menschenrechte eintritt,” so Jann Jakobs, Oberbürgermeister von Potsdam und Vorsitzender des M100-Beirats.
„Die Berichterstattung über die Gezi-Proteste in Istanbul hat gezeigt, wie groß der Druck auf Journalisten in der Türkei ist, Kritik an der Regierung aus Rücksicht auf die unternehmerischen Aktivitäten der Medieneigentümer unter den Teppich zu kehren“, so Michael Rediske, Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen. „Mit seiner spektakulären Aktion auf dem Taksim-Platz hat Erdem Gündüz demonstriert, dass selbst ein einzelner Mensch ein Zeichen für die Meinungsfreiheit setzen kann."
Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor von Human Rights Watch: „Erdem Gündüz‘ schweigender Protest auf dem Taksim-Platz wurde zum Symbol für das Recht auf friedlichen Protest im Angesicht des brutalen Vorgehens der türkischen Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten im Gezi-Park. Human Rights Watch dokumentierte über Wochen, wie die Polizei mit äußerster Härte versuchte, die Proteste niederzuschlagen, welche die Türkei seit Ende Mai erschütterten. Die Rechte auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung sind grundlegende Menschenrechte, die in der Türkei aktuell gefährdet sind. Vor diesem Hintergrund freuen wir uns sehr, dass Gündüz für sein Engagement mit dem M100 Media Award ausgezeichnet wird.“
Erdem Gündüz wurde 1979 in Ankara geboren und absolvierte 2007 sein Studium an der Fakultät für Kunst und Design im Bereich Musik und darstellende Kunst an der Technischen Universität Yıldız. Er studierte Schauspielkunst und ist unter anderem Gründer des Tanztheaters der Universität der Ägäis. Zurzeit beendet er sein Master-Studium im Bereich Darstellende Künste an der Mimar Sinan Universität der schönen Künste.