Keynote: Dimitris Droutsas (Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament, Belgien; ehemaliger Außenminister Griechenlands)
Moderator: Dr. Leonard Novy (Co-Director, Institut für Medien- und Kommunikationspolitik, Deutschland)

Mit seiner Rede „Can Greece recover?” regte Dimitris Droutsas, ehemaliger Außenminister Griechenlands und Mitglied des Europäischen Parlaments, das Publikum zu einer lebhaften Debatte an, die sich vor allem um die Fragen drehte, ob Griechenland selbst schuld an der Krise und europaweite Referenden gefährlich seien.

Die Tatsache, dass Griechenland und die Krise von populistischen Parteien benutzt worden seien, sei eine der Hauptursachen, dass Griechenland sich bisher noch nicht erholen konnte, so Droutsas. Ja, er sei überzeugt, dass Griechenland gesunden könne, die Frage sei, zu welchen Opfern die Griechen fähig und willens seien. Das Hauptproblem sieht er vor allem in strukturellen demokratischen Herausforderungen; so sei etwa eine Neukonstruktion der öffentlichen Verwaltung dringend erforderlich.

Droutsas nutzte seine Rede auch, um beliebte Gründe für die Finanzkrise zu dekonstruieren wie: „Schulden sind der Ursprung aller Probleme“, „Griechenland trägt die Alleinschuld an der Krise“ oder „der strenge Sparkurs ist ein Allheilwundermittel“. Dieser Irrglaube sei eine Sackgasse, so der Ex-Außenminister. Demgegenüber stellte er den seiner Meinung nach wahren Grund für die griechische Krise: Griechenland sei schlichtweg ein schlecht geführtes Land. Um nur einige der von Droutsas angesprochenen Kritikpunkte aufzuzählen: Verschwendung, Klientelismus, eine ungleiche Verteilung des Wohlstands, ungleiche Privilegien. De facto habe Griechenland durch das jahrzehntelange Fehl-Management an Ressourcen und Wettbewerbsfähigkeit verloren. Trotz aller eingeräumten Fehler betonte Droutsas, Griechenland habe sich von Beginn an der Verantwortung für die eigene Krise gestellt. Gleichzeitig warf er die provokante Frage in den Raum, wie es überhaupt möglich sei, dass eine innergriechische Krise zu einer globalen Krise führen konnte.

Mehr europäische Integration sei nötig, unterstützte Droutsas die Grundforderung von Eröffnungsredner Robert Menasse. „Wenn wir nicht mehr Europa wagen, werden sich die europäischen Staaten weiter voneinander entfernen.“

In der anschließenden Diskussion sprach sich Droutsas klar für mehr direkte Demokratie in Form von Referenden aus, nicht nur innerhalb Griechenlands, sondern auch auf EU-Ebene. Referenden hätten vor allem einen positiven Effekt: Wenn EU-Bürger über Themen abstimmen könnten, so würde ihr Verantwortungsbewusstsein, ihre Beteiligung und ihr Interesse an EU-Themen wachsen. Auf die kritische Nachfrage aus dem Publikum, ob es so etwas wie einen „EU-Bürger“ überhaupt gebe, antwortete Droutsas, dass gerade EU-Referenden optimal seien, das Bewusstsein einer „EU-Bürgerschaft“ zu fördern.

Auf die Frage, welche Rolle nach Droutsas‘ Meinung die Medien spielen, antwortete er, dass die starke Bindung zwischen Politik, Unternehmern und Medienbesitzern gebrochen werden müsse, um ein neues Griechenland aufzubauen. Man dürfe nicht in die alten Strukturen zurückfallen, die in den letzten drei Jahrzehnten in Griechenland geherrscht hätten und zu der Krise – sowohl der demokratischen als auch der wirtschaftlichen – geführt hätten.

  • 20120906_045.jpg
  • 20120906_054.jpg
  • _ADA0319.jpg
  • _ADA0442.jpg
  • _ADA0452.jpg
  • _ADA0502.jpg
  • _ADA0532.jpg
  • _ADA0535.jpg
  • _ADA0540.jpg
  • _ADA0565.jpg
  • _ADA0569.jpg
  • _ADA0669.jpg
  • _ADA0853.jpg
  • _ADA0893.jpg
  • _ADA0905.jpg
  • _ADA0913.jpg