Matt Brittin, Vizepräsident Nord- und Zentraleuropa, Google, Großbritannien

Roger Köppel, Herausgeber und Chefredakteur, Die Weltwoche, Schweiz

Antoine Laurent, Stellvertretender Direktor Global Editors Network, Frankreich
Wawrzyniec Smoczynski, Redakteur Außenpolitik, Polityka Weekly, Polen

Moderator: Ali Aslan, Deutsche Wlle TV, Deutschland

Zu Beginn stellte Roger Köppel, Herausgeber und Chefredakteur der Schweizer „Weltwoche“ klar, dass die EU seiner Ansicht nach keineswegs gleichzusetzen sei mit der Eurozone. Die EU sei eine Gemeinschaft, die auf viel mehr basiere als lediglich wirtschaftlichen Verbindungen, sagte er und erläuterte einige der positiven Effekte der Eurokrise. Zum einen sei die gegenüber der EU geäußerte Kritik vor einigen Jahren noch sehr schwach gewesen. Seit der Krise würden sich kritische Stimmen lauter melden. Als starker Vertreter der freien Meinungsäußerung unterstrich Köppel, dass diese in den Medien spürbare stärkere Kritik ein positives Zeichen sei. Trotz dieser positiven Entwicklung kritisierte Köppel, dass Feindschaft nicht nur in den Medien spürbar sei, sondern auch auf höchstem politischem Level. Er nannte einige Beispiele für nationale Entscheidungen von EU-Mitgliedsstaaten, die in seinen Augen mangelnde Solidarität verdeutlichen würden. Als zweite kritische Anmerkungen bedauerte Köppel, dass vielen EU-Bürgern nicht klar sei, wer in der EU für welche Entscheidung verantwortlich sei. Abschließend rief er zu mehr Volksabstimmungen auf EU-Ebene auf.

Für den leitenden Redakteur Außenpolitik der polnischen Tageszeitung Polityka Weekly, Wawrzyniec Smoczynski, sind die Gründe der anhaltend hohen Zustimmung der Polen zur EU die positive wirtschaftliche Entwicklung sowie die hohe finanzielle Unterstützung der EU. Smoczynski konnte sich der Forderung Köppels nach mehr Demokratie nicht anschließen. Er argumentierte, dass in der EU genügend demokratische Strukturen vorhanden seien und sprach sich dagegen aus, jede einzelne Entscheidung mit den Wählern zu diskutieren. Als Wähler habe er einen Politiker, einen Experten, gewählt, diese Entscheidungen für ihn zu treffen. Auch ordnete Smoczynski der Eurozone im Gegensatz zu Köppel eine höhere Bedeutung bei. Stattdessen bereite ihm viel mehr Sorge, dass die EU sich selbst auseinandernehme. Bezugnehmend auf die Rolle der Medien warnte er davor, hochkomplexe Themen zu oft zu einfachen, populistischen Schlagzeilen zu reduzieren. EU-Themen seien bei dieser Vereinfachung besonders gefährdet. Einen komplexen Artikel über ein EU-Treffen zu schreiben verlange mehr Zeit, als einen einfachen emotionsgeladenen Artikel, gab der polnische Redakteur abschließend zu bedenken.

Antoine Laurent, stellvertretender Direktor des französischen Global Editors Network, stimmte mit der Einschätzung Smoczynskis überein und sagte, es sei viel schwieriger, EU-Themen medial zu verkaufen als Berichte über nationale Ereignisse. Medientechnisch seien EU-Themen recht „langweilig” für Schlagzeilen. Laurent stimmte mit Smoczynski auch darin überein, dass EU-Themen sehr komplex seien und in den Medien deshalb eher vereinfacht dargestellt würden. Aus einer reinen Medienperspektive betrachtet habe die Eurokrise zumindest dazu geführt, dass die EU in den Medien immer mehr Schlagzeilen produziere und dadurch sichtbarer geworden sei. Laurent ging auch auf die „Medienschlacht” zwischen den EU-Mitgliedsstaaten ein. Dank der Krise, sagte er, gebe es heute eine viel größere Übereinstimmung zwischen Berichterstattung und öffentlicher Meinung, während vor einigen Jahren noch eine große Diskrepanz geherrscht habe. Es sei daher auch positiv, dass jetzt mehr Kritik geäußert werde.

Matt Brittin, Vizepräsident Nord- und Zentraleuropa von Google, rief zu „mehr Europa” auf und vor allem dazu, in die Zukunft statt in die Vergangenheit zu schauen. Er plädierte dafür, international zu denken statt in nationalen Grenzen. Aus wirtschaftlicher Sicht gebe es ein enormes Potential, Export und Wachstum voranzutreiben. „Wir sollten den Binnenmarkt so fördern, dass Exporte steigen”, schlug der Google-Vize vor. Er rief dazu auf, mehr in Fähigkeiten und jene Art von Politik zu investieren, die Chancen schafft. Google leiste mit seinen Werkzeugen und Dienstleistungen einen wertvollen Beitrag, neue Export-Märkte zu fördern. Brittin begrüßte ebenso wie Laurent, dass immer mehr über EU-Themen berichtet werde und hob hervor, dass es zunehmend einfacher werde, die eigene Meinung kundzutun, etwa über Twitter. Köppel und Brittin teilten die Ansicht, dass auch, wenn kurzfristig viele Opfer zu verzeichnen seien, das europäische Projekt langfristig zu hohem Erfolg führen werde. Dabei betonte Brittin wiederholt die wichtige Rolle der Wirtschaft, um Wachstum zu fördern und aus der Krise zu finden.