JOURNALISMUS ZWISCHEN POLITIK, PROPAGANDA UND GEFÄNGNIS IN MOLDAWIEN

Catalina Russu aus Moldawien, 22, arbeitet bei der Nachrichtenagentur Moldpress. Gleichzeitig studiert sie Medienmanagement an der staatlichen Universität Moldawiens.

Stellen Sie sich ein Kind vor, das in eine geschiedene Familie geboren wird. Einer der Elternteile möchte die Zuneigung des Kindes durch Geschenke und Versprechen „erkaufen“, und das andere Elternteil versucht das Kind durch Drohungen und Weigerung der finanziellen Unterstützung an sich zu binden.
Nun, dieses Kind ist mein Land, Moldawien, das ständig in zwei verschiedene Richtungen gezerrt wird: die Europäische Union, die es mit Versprechungen und Hoffnungen auf einen bessere Zukunft füttert, und die russische Föderation, die uns ständig damit droht, den Gashahn zuzudrehen und einen Krieg über das nicht anerkannte Gebiet Transnistrien anzuzetteln.
Die Republik Moldawiens ist zu klein und arm, um freie, objektive und unabhängige Medien zu haben. Die moldawische Presse hat sich im Ranking des jährlich erscheinenden Berichts der NGO Freedom House zum Stand der Pressefreiheit um 10 Positionen verschlechtert. Der Bericht weist den Medien zum Teil Unabhängigkeit zu, aber Moldawien belegt den 122. Platz von 190 Ländern.
Moldawien ist das Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“, und damit meine ich: der Premierminister ist gewählt, und am nächsten Tag entdecken die Medien sein gefälschtes Universitätsdiplom; eine Milliarde Euros ist aus den Banken verschwunden, und keiner ist dafür verhaftet worden. Zwar sind verschiedene ehemalige Minister verurteilt worden, aber alle sind außer Landes geflohen und der Hauptverdächtigte im Bankenraub, Ilan Shor, wird anstelle einer Verhaftung zum Bürgermeister einer der wichtigsten Städte gewählt.
Moldawien wird indirekt durch zwei Politiker kontrolliert, die zwar so tun, als wenn sie für die Europäische Union plädieren, aber heimlich eine Allianz mit der kommunistischen Partei eingehen, um die Regierung zu wählen. Diese zwei Politiker kontrollieren auch die Medien. Am 5. April, 3. Mai und 7. Juni organisierte die Plattform „Dignity and Truth“ (Würde und Wahrheit) Protestdemonstrationen gegen die Regierung, die Strafverfolgung im Allgemeinen, gegen den Vorstand der Nationalen Bank, das Nationale Antikorruptions Center und wichtige politische Figuren des Landes auf dem Nationalplatz.
Nur ein paar Fernsehanstalten zeigten die wirkliche Zahl der Demonstranten und der Grund für den Streik. Die meisten Fernsehsender, die durch die beiden politischen Parteien kontrolliert sind (die liberal-demokratische Partei und die demokratische Partei) gaben die Zahl der Demonstranten mit 7.000 an (in Wirklichkeit versammelten sich mehr als 50.000) und nannten als Grund, dass sie für den Eintritt in die Europäische Union demonstrieren (nichts über den Bankraub und die negativen Forderungen).
Ich selbst befinde mich in dieser Situation, seit ich zu arbeiten begonnen habe. Eine Reporterin für die nationale Nachrichtenagentur zu sein, kann eine große Herausforderung sein. Denn einerseits möchte man die Wahrheit und die wirklichen Probleme benennen, und andererseits soll man nichts schreiben, was die momentane Regierung diskreditieren könnte.
Einer meiner Kolleginnen, die für das öffentliche Fernsehen arbeitet, das von der Demokratischen Partei kontrolliert wird, ist mit einer Gehaltsminderung von 50 % bestraft worden, weil sie einem anderen politischen Führer als dem der Demokratischen Partei mehr Raum gab.
Am 20. Juni 2014 wurde ein Journalist des Nachrichtendienstes „deschide.md“ (open.md) von der Polizei verhaftet, weil er ein paar Fälle von Amtsmissbrauch des Innenministers aufgedeckt hat. Einer der Polizisten rief den Journalisten an und gab vor, eine Story über einen bekannten nationalen Sänger zu haben, der angeblich nach einem seiner Konzerte ein Kind schlug. Als sie sich treffen wollten, wurde der Journalist aufgrund von „Polizeierpressung“ verhaftet. Das klingt unglaublich, aber so ist es passiert. Nach drei Tagen kam der Journalist wieder frei.
Vergleicht man die Medien während der kommunistischen Regierung (2001-2009) und der demokratischen Regierung (2009-2015), kann man nicht viele Unterschiede feststellen, denn das Schlüsselwort heißt Zensur. Während der kommunistischen Ära gab es mehr Propaganda, weil nur über positive Dinge berichtet wurde und so der Eindruck erweckt wurde, dass der Staat keine Probleme habe.
Mit der derzeitigen Regierung ist die Propaganda durch Manipulation ausgetauscht worden. Allerdings gibt es Hoffnung: das Wachstum der Internetmedien, die nicht durch die Regierung kontrolliert werden können. Die Bevölkerung, die Zugang zum Internet hat, kann sich aus verschiedenen Quellen informieren und daraus die geeignetste wählen.
Im Fall der Ukraine war  von der russischen Propaganda allerdings recht wenig im Fernsehen zu sehen. Zwei Journalisten aus Russland wurde sogar im April die Einreise nach Moldawien verweigert, und so konnten sie ihren Film, der einen spezifische Version von den Ereignissen auf der Krim erzählt, nicht bewerben
Trotz allem, was oben gesagt wurde, existiert in meinem Land Medienpluralismus, der eine Voraussetzung für Demokratie ist. Um aber wirklich freie Medien zu haben, muss man anfangen, die Mentalität der Moldawier zu ändern, unsere Regierung durch mehr Streiks zu sanktionieren und nach der Wahrheit zu fragen. Ich glaube aber, wir sind zu leise und demütig.

 Catalina Russu