JOURNALISMUS ZWISCHEN POLITIK, PROPAGANDA UND GEFÄNGNIS IN DER UKRAINE

Mykhailo Bagan aus der Ukraine, 24, beendet gerade sein Studium der Politikwissenschaften an der Donetsk National University und arbeitet für die News of Donbass (novosti.dn.ua) und das öffentliche Fernsehen in Donbass.

 

Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Themen in der Ukraine seit es seine Unabhängigkeit erreicht hat. Laut der Menschenrechtsorganisation „Freedom House“ hat sich die Ukraine von Platz 139 auf den 126. Platz vorgearbeitet und damit aus der Kategorie der Länder mit unfreier Presse zu denen mit eingeschränkt freier Presse.
Journalisten, die in unterschiedlichen Regionen des Landes arbeiten, stehen auch vor unterschiedlichen Problemen. In den Gebieten, die nicht von bewaffneten Konflikten betroffen sind, waren die Probleme schon immer gleich: in erster Linie ist das die Abhängigkeit von den Besitzern von journalistischen Ausgaben sowie die Verfügbarkeit von besonderen Inhalten. Das betrifft sowohl die regionalen, als auch die nationalen Medien. Der Bericht des öffentlichen  „Institut für Massenkommunikation“ konstatiert, dass Experten im Mai 2015 einen Anstieg von Inhalten mit Besonderheiten  im Online-Bereich verzeichnet haben. Insgesamt gab es 49 solcher Artikel. Eine ähnliche Situation herrscht in den Gebieten um Donetsk und Luhansk vor, die der Kontrolle der ukrainischen Behörden unterliegen.
Auf der Krim und in den von illegal bewaffneten Gruppen kontrollierten Gebieten gibt es eine tendenziell ansteigende Verschlechterung der Meinungsfreiheit. Laut eines Freedom House-Berichts ist die Meinungsfreiheit auf der Krim geringer als in Syrien oder dem Iran. In der Gegend um Donbass, die nicht mehr von den ukrainischen Behörden kontrolliert wird, verschlechtert sich die Situation seit Mai 2014 kontinuierlich.
Nachdem Donetsk und Luhansk unter Kontrolle der bewaffneten Separatisten gerieten, mussten Verlagshäuser, die nicht mit den Vertetern der  „D/LPR“ (Donetsk People's Republic) kooperieren, die Stadt verlassen.
Die beiden größten unabhängigen Onlineportale aus Donetsk – „News of Donbass" (novosti.dn.ua) und „Ostrov" (ostro.org) mussten mit ihren Büros nach Kiew umsiedeln. Die Journalisten dieser Medienportale arbeiten jetzt aus anderen Städten der Donetsk Region, die noch unter die ukrainische Hoheitsgewalt fallen.
Seit Beginn der Kampfhandlungen wurden einige Journalisten als Geiseln der DPR genommen. Unter ihnen waren die Journalisten Anton Skiba (er wurde verhaftet, weil er zu der Zeit als Produktionsassistent für CNN gearbeitet hat) und Pavel Kanygin („Novaya Gazeta"/ Russland, er war bereits zweimal in Haft, Mai 2014 und Juni 2015). Laut der Gewerkschaft der Unabhängigen Medien der Ukraine sind seit dem Beginn des Konflikts in Donbass im März 2014 40 Journalisten durch die Separatisten verhaftet worden.
Die Zahl der getöteten Journalisten, die während ihrer Berichterstattung aus dem umkämpften Gebiet im Osten der Ukraine starben, wächst. Aber Verhaftungen und Tötungen von Journalisten geschehen auch in anderen Regionen des Landes. Zwei der besonders stark nachhallenden Ereignisse waren die Verhaftung des Journalisten Ruslan Kotsaba aus Iwano-Frankiwsk im April 2015, der sich gegen die Mobilisierung der ukrainischen Armee ausgesprochen hat,  sowie der Mord am Journalisten Oles Busina im gleichen Monat.
Eines der größten Probleme der Ukraine ist die russische Propaganda. Laut Expertenmeinung spielte die aggressive Rhetorik der russischen Massenmedien eine führende Rolle beim Ausbruch des bewaffneten Konflikts in Donbass. Die gleiche schmutzige Rhetorik ist das Problem bei der Überwindung des Konflikts. Die separatistische Propaganda Maschinerie – Fernsehen, Radio, Zeitungen, Flyer usw. – heizen den Konflikt weiter an.
Die meisten ukrainischen Journalisten sind der Ansicht, dass die Antwort auf diese Propaganda das Einhalten von ethischen Standards im Journalismus sein sollte. Eine aggressive Rhetorik in Teilen der ukrainischen Medien (TSN, Censor.net.ua, Obozrevatel.com) wird aber dennoch beobachtet.
Viele ukrainische Journalisten haben ihre Sorge ausgedrückt, dass die Medien durch das ukrainische Ministerium für Informationspolitik, das im Januar 2015 gegründet wurde, unter Druck  gesetzt werden. Jedoch sind derzeit keine Medienauskünfte darüber zu erhalten. Offiziellen Angaben zufolge ist das Ministerium für Informationspolitik gegründet worden, um sich mit der russischen Propaganda auseinanderzusetzen.
Trotz der Verbesserung der Ukraine um 13 Plätze im Ranking des Freedom House Reports bleibt die Situation der Meinungsfreiheit schwierig und in einigen Regionen der Ukraine sogar in Gefahr. Um dieses Problem zu lösen, müsste ein Reformprozess eingeleitet werden, der die Eigentümerschaft der Medienunternehmen darlegt, und der nicht-regierungsnahe und unabhängige Medien vor dem Druck der Regierung und lokalen Behörden schützt.  Am wichtigsten ist es jedoch, die notwendigen Voraussetzungen für eine größere Reichweite der unabhängigen Medien zu schaffen.

 Mykhailo Bagan