Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrter Herr Botschafter Benassi,
sehr geehrter Herr Saviano,
Herr di Lorenzo,
liebe Mitglieder des Beirats,
sehr verehrte Gäste,

auch dieses Jahr möchte ich Sie alle wieder ganz herzlich willkommen heißen im Orangerieschloss von Sanssouci – auch diesmal wieder wegen der Sicherheitslage mit einigen Beschwerlichkeiten verbunden. Aber ich denke, Sie alle haben dafür Verständnis.

Ich freue mich besonders, dass die Bundeskanzlerin heute wieder zu uns gekommen ist, um die Hauptrede zu halten – übrigens schon zum dritten Mal. Noch einmal: Herzlich willkommen, Frau Bundeskanzlerin!

Ich möchte an dieser Stelle zugleich an den Mitinitiator der M100-Konferenz und Co-Vorsitzender des Beirats, Lord George Weidenfeld, erinnern, der im vergangenen Jahr noch die Dinner Speech gehalten hat. Leider ist er nicht mehr unter uns. Aber wir werden ihn in Ehren in Erinnerung behalten.

Als wir bei unserer Beiratssitzung Anfang Februar über den Titel des diesjährigen Sanssouci Colloquiums diskutierten und schließlich der Vorschlag fiel, es „Krieg oder Frieden“ zu nennen, kam das einigen etwas übertrieben  vor. Ehrlich gesagt: Mir auch. Europa und Krieg, das galt jahrelang als ausgeschlossen – der Fall der Mauer, das Ende des Kalten Krieges und der Abbau der Grenzen in Europa haben uns in der Annahme gewogen, dass ein offenes Europa ein Garant für Demokratie und Frieden sei. Doch diese Sicherheit war trügerisch. Seit unserer Beiratssitzung im Februar haben die Ereignisse ihr Tempo noch einmal beschleunigt, und heute fällt das Wort Krieg ununterbrochen – nicht nur im Zusammenhang mit Syrien, sondern auch mit Europa.

Nach über 70 Jahren Frieden in Europa spüren wir den Krieg und seine Folgen wieder ganz unmittelbar. In Form von Menschen, die aus ihrer zerbombten Heimat fliehen. Die in ihrer Heimat keine Zukunft sehen. Die auf ein besseres Leben im reichen Europa hoffen. Gleichzeitig wehren sich viele Länder vehement gegen die Aufnahme der  Menschen, die vor dem von ihnen unterstützten Krieg fliehen.

Europa, einst ein Hort des Friedens, ist zur Drehscheibe des Krieges geworden – schrecklicher Kriege mit hunderttausendfachem menschlichem Leid, zerstörten Ländern und zerstörten Hoffnungen.

Unter den Gästen des heutigen Abends sind auch 70 Chef- und leitenden Redakteure aus verschiedensten europäischen Medien sowie Historiker und Vertreter von politischen Institutionen, die heute den ganzen Tag über hier in der Orangerie über Europa diskutiert haben. Sie kommen aus vielen unterschiedlichen europäischen Ländern, um sich im direkten Gespräch auszutauschen. Diese Diskussionen sind wichtig, um Handlungen und Entwicklungen in einer täglich komplexer werdenden Welt zu verstehen, die verschiedenen Standpunkte deutlich zu machen, den Horizont zu erweitern, die Politik und die Rolle der Medien zu beleuchten und vielleicht sogar die eine oder andere Lösung zu finden.

Deshalb unterstützt die Stadt Potsdam das M100 Sanssouci Colloquium seit seiner Gründung im Jahr 2005. Das Colloquium ist eines der jährlichen Leuchtturmveranstaltungen der Landeshauptstadt und des Landes Brandenburg mit internationaler Ausstrahlung und einer enormen medialen Präsenz. Darauf können wir stolz sein. Denn sie unterstreicht alles, wofür Potsdam seit Jahrhunderten steht: Meinungsfreiheit, Toleranz und Internationalität. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass hier der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg am 8. November 1685 das Potsdamer Toleranzedikt erlassen hat, in dem er den in Frankreich wegen ihrer Religion verfolgten Hugenotten freie und sichere Niederlassung in Brandenburg anbot.

Kampf um Meinungsfreiheit ist aber kein Kampf von gestern. Auch einige der heute anwesenden Gäste dürfen ihre Meinung nicht schriftlich sagen und werden dafür bedroht: von ihrer Regierung oder – wie unser diesjähriger Preisträger – von der „Krake Mafia“. Und es sind viele Journalisten bedroht, sitzen im Gefängnis, werden gefoltert oder werden umgebracht. Laut Reporter ohne Grenzen war die Situation der Pressefreiheit seit Jahren nicht so kritisch, so bedroht wie in diesen unruhigen Zeiten. Auch hier setzen wir ein Zeichen und vergeben jedes Jahr den M100 Media Award an eine Person, die sich um Schutz der freien Meinungsäußerung, die Vertiefung der Demokratie sowie für besondere Leistungen um die europäische Verständigung und Kommunikation verdient gemacht hat.

In diesem Jahr heißt der Preisträger Roberto Saviano, ein italienischer Autor und Journalist, der mit einem Buch, das er vor zehn Jahren geschrieben hat, weltweit Aufmerksamkeit erregte, weil er detailliert die Strukturen der Mafia freilegte und Klarnamen nannte. Seitdem bedroht die Mafia den Mann und seine Familie, er muss im Untergrund leben und ständig mit dem Schlimmsten rechnen. Vielen Journalisten geht es ähnlich, einigen noch schlimmer. Sie kennen die zahlreichen erschütternden Beispiele von inhaftierten, gefolterten und getöteten Journalisten. Und dennoch, und ich finde, das macht Mut, verschreiben sich eine wachsende Zahl von jungen Journalisten gerade dem investigativen Journalismus. Ich freue mich, dass einige von ihnen heute hier sind, nämlich die Teilnehmer des M100 Young European Journalists Workshop, die in der letzten Woche im MIZ in Potsdam-Babelsberg ihre Arbeitstechniken und Methoden der investigativen Recherche vertieft haben. Diese 27 jungen Leute kommen zum Teil aus Ländern, in denen  es um die Pressefreiheit nicht gut bestellt ist, aber sie haben den Wunsch und den Plan, das zu ändern. Wir sind sicher, dass die Stadt einen bleibenden Eindruck in den Herzen und Köpfen dieser jungen Menschen hinterlassen wird.

Und weil das alles – die Konferenz, die Preisverleihung und der Workshop von Nachwuchsjournalisten – ohne Förderer und Partner nicht möglich ist, möchte ich denen an dieser Stelle besonders danken, die M100 seit Jahren unterstützen und fördern: Das sind neben der Landeshauptstadt Potsdam vor allem das Medienboard Berlin-Brandenburg, das Auswärtige Amt und das National Endowment for Democracy. Und nicht zu vergessen die vielen Partner wie Reporter ohne Grenzen, Human Right Watch, der VDZ oder die Schlösserstiftung.

Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen hier, in der historischen Orangerie von Sanssouci, einen interessanten und anregenden Abend und übergebe nun das Wort an Bundeskanzlerin Merkel: Es ist uns eine Ehre, dass Sie heute zum dritten Mal in der 12-jährigen Geschichte des M100 Sanssouci Colloquiums die politische Hauptrede halten. Danke schön.

20160915 M100 UB 3390