ÜBERBLICK

Fast 70 Teilnehmer aus 20 Ländern nahmen in diesem Jahr an der „in Europa einzigartigen Konferenz“ (rbb, 15.9.2016) teil, die zum 12. Mal führende Medien- und Meinungsmacher, Historiker und Vertreter politischer Organisationen in der Orangerie von Potsdam-Sanssouci an einen Tisch geladen hat (einen kurzen Film über das diesjährige M100 SC finden Sie hier).

Den Titel „Krieg oder Frieden“ fand ein Großteil der Teilnehmer des M100 Sanssouci Colloquiums (alle Teilnehmer finden Sie hier) „sehr gut gewählt“.

Dazu gehört Prof. Dr. Ulrike Guérot, Gründerin und Direktorin des European Democracy Labs in Berlin, Professorin  für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems/Österreich und Autorin des Buches „Warum Europa eine Republik werden muss!“ (Dietz-Verlag). Guérot findet, dass „dieser Kriegsgeruch schon in der Luft liegt. Wir sehen das an der ganzen Sicherheitsdiskussion, wir sehen das auch an der Militarisierung unserer Städte.“  Sie fragt sich, ob wir nicht längst durch Prozesse wie Renationalisierung, Populismus, Desintegration und Radikalisierung der Gesellschaft , die auch in den Sessions des M100 Sanssouci Colloquiums angesprochen worden waren, in „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ angekommen seien oder zumindest in solche abrutschen könnten und die Gefahr besteht, „dass wir de facto das politische System verlieren, also das System, das noch steuerungsfähig ist.“

Jim Egan, CEO von BBC Global News, findet M100 „ein bemerkenswertes und großartiges Treffen von Leuten, die sowohl aus dem Journalismus kommen, als auch im politischen Bereich arbeiten. Es ist ein sehr durchdachter europäischer Fokus hier, sehr erfrischend, das ist eine Art von Perspektive, die man in London nicht findet, und dieser Kontrast ist eines der nützlichsten Aspekte hier.“

Gabor Steingart, Herausgeber des „Handelsblatt“, schätzt an M100, dass man hier „ausländische Kollegen und Kolleginnen (trifft), die man sonst nicht treffen würde. Man gewinnt dadurch einen anderen Eindruck über die Lage in Europa, über Länder wie zum Beispiel die Ukraine oder Rumänien, die wir als deutsche Journalisten nicht so oft bereisen.“

“Bild“-Herausgeber Kai Diekmann sagte, angesichts der Krisensituation in Europa, „wie wir sie mit den vielfältigen Konflikten seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr erlebt haben, mit der Kriegssituation in der Ukraine, mit dem anstehenden, aber bereits entschiedenen Brexit“ sei es wichtig, sich um eine andere Perspektive zu bemühen, warum sich zum Beispiel die Briten entschieden haben, die Europäische Union zu verlassen oder um einen russischen Blick auf Europa zu verstehen. „Dafür ist dieses Treffen ideal“, so Diekmann, „weil es am Ende ja Medien sind, die Öffentlichkeit herstellen, die vermitteln, was in Europa passiert - und da von der Kompetenz der Kollegen aus den anderen Ländern zu profitieren, ist einfach perfekt.“ (s. auch das „Bild"-Video: „Warum dieses Medientreffen für Europa so wichtig ist").

Für Ulrike Guérot besticht M100 „durch die große Präsenz von Journalisten aus wirklich allen europäischen Länder, und zwar über die Europäische Union hinaus, viele aus dem südeuropäischen Raum, die noch nicht Mitglied der Europäischen Union sind, aus der Ukraine, und das ist wirklich ein Asset vom M100-Forum.“

Und Vazha Tavberidze, Chefredakteur des Georgischen Magazins “Georgian Journal” schreibt in der aktuellen Ausgabe: „Wenn man zum ersten Mal am M100 Sanssouci Colloquium teilnimmt, kann es emphatisch sein: die wirkliche Crème der europäischen Medien ist hier: die wirklich alten Namen, die "Big Guns", Topleute, alles mögliche. So nobel und prestigeträchtig es ist, driftet es jedoch nicht ins Elitäre ab (Hey, nicht jede Medienveranstaltung wird von der Bundeskanzlerin selbst besucht - Frau Merkel war da, um die Preisverleihung zu besuchen, mehr dazu später). Und wenn du als einfacher (nicht gerade bescheidener) Redakteur aus Georgien grüßt, mit seiner stolzen, aber noch immer relativ unbekannten Medienbranche, ist diese Art der Euphorie leicht zu erklären. Selbst wenn man zum zweiten Mal dabei ist, gibt es viel zu lernen - es passiert nicht jeden Tag, dass man Spitzenintellektuellen der Europäischen Medien zuhört, die über solch wesentliche Dinge wie Russische Propaganda oder investigativer Journalismus diskutieren." (Den gesamten, auf Englisch verfassten Artikel gibt es hier).


ZUSAMMENFASSUNG

In den drei über den Tag verteilten Sessions der Konferenz war die unübersichtliche, von Krisen geschüttelte Lage in Europa das beherrschende Thema.
Die Teilnehmer diskutierten über „Europa zwischen autokratischen Herausforderungen und Desintegration“, Europäische Außenpolitik sowie Europas Medien und die Informationskrise.

Weiterer spannender Programmpunkt war ein „Special Talk“, in dem Kai Diekmann den ehemaligen Chefredakteur der türkischen Tageszeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, interviewte. Dündar hatte gemeinsam mit einem Kollegen über türkische Waffenlieferungen nach Syrien berichtet, beide waren dafür verhaftet worden.  Nach einem fünfmonatigen Gefängnisaufenthalt kam Dündar vorläufig frei und setzte sich in die EU ab. Seiner Frau wurde der Pass weggenommen und die Ausreise aus der Türkei verweigert. Mittlerweile ist ein erneuter Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. Dündar sagte, die Türkei sei „das weltgrößte Journalistengefängnis. Ein Polizeistaat, mehr als 120 Journalisten sitzen in Haft.“ Man könne im Prinzip zwar schreiben was man wolle, aber der Preis sei hoch: „Man riskiert, angeklagt oder ermordet zu werden.“ Und er wünscht sich, dass Deutschland die Türkei drängt, zur Demokratie zurückzukehren.

Auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, die anlässlich der Verleihung des M100 Media Award an Roberto Saviano am Abend die politische Hauptrede hielt, ging auf den Titel der Veranstaltung ein und sagte, dabei müsse sie „sofort an das berühmte Wort des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl denken, wonach Europa eine Frage von Krieg und Frieden ist. Aus dem Mund eines Mannes, der die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs als Kind und Jugendlicher erlebt hat, wirkt dieser Satz besonders nachdrücklich und glaubwürdig. Für viele von uns Jüngeren mag der Gedanke heute vielleicht schwer zu verstehen sein. Und doch: Der Satz hat nichts von seiner Gültigkeit verloren. Er ist richtig. Denn es geht immer auch um Krieg und Frieden bzw., um die Überschrift Ihres Colloquiums aufzugreifen, um Krieg oder Frieden.“ Es sei heute heute dringender denn je, „die Werte und Errungenschaften der europäischen Einigung, die uns so viele Freiheiten gebracht haben, in den immer hitziger werdenden Debatten zu verteidigen“, so die Kanzlerin. „Es ist dringender denn je, den rhetorischen Verkürzungen entgegenzutreten, den allzu einfachen nationalen Reflexen zu widerstehen und stattdessen den aufwändigeren, mühsameren, langfristig aber erfolgreichen europäischen Weg zu beschreiten.“

(Die gesamte Rede sowie auch die Reden von Laudator Giovanni di Lorenzo und Preisträger Roberto Saviano finden Sie hier.)

Hier geht es weiter zu den einzelnen Sessions.

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