Summary & Outlook

Prof. Dr. Andreas Rödder, Professor für zeitgenössische Geschichte an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz, fasste das Colloquium noch einmal zusammen. Er unterstrich, dass eine freie Presse täglich aufs Neue verteidigt werden müsse. Die größte Herausforderung  in einer digitalen Welt sei,  in Zeiten der Informationsflut genügend Orientierung zu bieten, als Filter zu fungieren und die öffentliche Meinung mit Fakten und Hintergrundinformationen zu versorgen. In seinem Resümee sagte er, Ost- und Zentraleuropa hätten am meisten unter der Auflösung des Habsburgischen Reiches gelitten. Das führe zu der offenen Frage, ob mit der deutschen Wiedervereinigung auch die Baltischen Staaten ihre Souveränität zurückgewonnen hätten. So fragte er, ob Putin etwa angriffslustig gewesen sei, als er die europäische Ordnung nach 1990 in Frage gestellt hat. Aus seiner Sicht gibt es fundamentale und grundlegende Probleme, die tief verwurzelt sind in dem Kontrast zwischen Polen, den Baltischen Staaten, Ungarn und Georgien, die zwar Russland als Großmacht um Sicherheit ersuchen, sich gleichzeitig aber Richtung Europäische Union orientieren. „Alternativen sind der Kern der Demokratie” zitierte er Ulrike Guérot und betonte die Wichtigkeit und Verantwortung sowohl des öffentlichen Diskurses, als auch des Journalismus für eine gesunde, tragfähige Demokratie. In seiner Zusammenfassung beschrieb er das Konzept des glücklichen Zufalls –  offen zu sein gegenüber unerwarteten Möglichkeiten und sich gleichzeitig möglicher Gefahren bewusst zu sein, könne dabei helfen, Lug und Trug besser zu meistern. Seinen kompletten Summary & Outlook finden Sie hier.

Der Verlag C.H.Beck verteilte an die Teilnehmer des M100 Sanssouci Collouiums Exemplare des neuen Buches von Prof. Dr. Andreas Rödder, „21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart”.

M100 MEDIA AWARD

Außennminister Dr. Frank-Walter Steinmeier eröffnete die Verleihung des M100 Media Awards mit einer Rede zum Thema „70 Jahre Potsdamer Abkommen".
„Die Frage nach der Ordnung der Welt – sie ist heute, zwar auf ganz andere Art und Weise, so aktuell wie damals”, so Steinmeier. „Denn 2015 haben wir zwar die Potsdamer Ordnung, die bipolare Logik des Kalten Krieges überwunden – zum Glück! Doch an ihre Stelle ist auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung und dem Ende der Blockkonfrontation noch keine neue Ordnung getreten. Anfang der neunziger Jahre waren die Hoffnungen groß; vom „Ende der Geschichte“ war die Rede; von der „multipolaren Welt“, in der viele ihre Verantwortung auf der Weltbühne annehmen würden. Es ist anders gekommen: die Welt ist nicht mehr bi-polar, sie war niemals multi-polar, sondern sie ist non-polar. Oder optimistischer formuliert: Die Welt ist auf der Suche nach Ordnung. Doch diese Suche verläuft nicht wie ein friedlicher Seminardiskurs, sondern das Ringen um Einfluss und Dominanz entlädt sich in diesen Monaten in einer Vielzahl von Krisen und Konflikten, wie ich sie – in meiner eigenen politischen Biographie zumindest – noch nicht erlebt habe.”
In Richtung der Medienvertreter sagte er: „Vermutlich ist die Verantwortung der Medien heute noch größer geworden – nicht nur, weil Sie mehr Menschen erreichen, sondern weil die Macht der Orientierung in einer so orientierungslosen Zeit noch viel bedeutsamer ist. (...) Es geht nicht nur um das was geschieht? sondern darum: wer gibt die Antworten? Wer hat überhaupt eine legitime Stimme und wer kommt womöglich gar nicht zu Wort? Darin tragen die Medien eine große Verantwortung. Und die komplexe Gemengelage um Migration und Vertreibung, um Chancen und Gefahren, auch um Terrorismus, Islam und Integration – ist dafür wohl das eindringlichste Beispiel, über das Sie auch heute Abend miteinander zu diskutieren haben und bei dem die möglichst einfachen, möglichst knalligen, möglichst schwarz-weißen Schlagzeilen und Bilder vermutlich die schlechtesten Antworten geben.” (Die gesamte Rede finden Sie hier)

Nach der Rede des Außenministers wurde der renommierte M100 Media Award an das französische Satiremagazin Charlie Hebdo vergeben. Der Beirat des M100 Sanssouci Colloquiums begründete seine Entscheidung mit der epochalen Bedeutung des Martyriums, das die Mitarbeiter und Angehörigen von Charlie Hebdo erlitten haben. Die freie Welt muss sich in jeder Weise solidarisch mit den Opfern zeigen. Presse- und Meinungsfreiheit sind elementar für jede Demokratie. Sie müssen unter allen Umständen verteidigt werden.

Chefredakteur Gérard Biard nahm den Preis in Anwesenheit von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, dem französischen Botschafter Philippe Etienne und rund 200 geladenen Gästen unter größten Sicherheitsvorkehrungen in der Orangerie von Sanssouci entgegen. „Die Überzeugungen und Werte, für die wir eintreten, sind universelle Werte und als solche gehören sie allen Bürgern dieser Welt“, sagte er in seiner Dankesrede. Daher sollten alle Bürger dieser Welt für sie eintreten. „Wir haben, anders als behauptet, nie den Islam oder Muslime kritisiert. Wir kritisieren den Islamismus als politische Ideologie." Die ersten Opfer des „totalitären Islamismus und seiner Schergen“ seien weltweit immer und zuerst Muslime.”

„Dieser Preis heute ehrt die Toten -- und er ehrt die Überlebenden”, betonte der Schriftsteller und Strafverteidiger Ferdinand von Schirach in seiner Laudatio: „Dass es „Charlie Hebdo“ noch immer gebe, sei ein „Trotzdem”. Wenn Satire niemandem wehtue, bedeute sie nichts.”
Sie finden die Reden hier.

Der dänische Karikaturist Kurt Westergaard, der den M100 Media Award 2010 im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel und Joachim Gauck entgegen genommen hat, hat Grüße an die Gäste und seine Kollegen von Charlie Hebdo gesandt, indem er 200 Exemplare seiner Zeichnung „Freedom of Speech" verteilen ließ. Er hat Charlie Hebdo kurz nach dem terroristischen Angriff auf die Redaktion mit dem Verkauf der Zeichnung unterstützt und mehr als 15.000 Euro für die Hinterbliebenen gesammelt. Am Donnerstag kam stellvertretend für ihn sein Galerist Erik Guldager gemeinsam mit seiner Frau Vibeke nach Potsdam. Gérard Biard unterzeichnete das Original.

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